Buster Keaton, Clyde Bruckman: Der General

 

Eine der längsten, aufwändigsten und komischsten Verfolgungsjagden der Filmgeschichte: Über drei Viertel von "Der General" sind nichts anderes als ein Katz- und Mausspiel zwischen dem heldenhaften Lokomotivführer Johnny und den beschränkten Divisionen der Yankee-Armee, die sich ähnlich ungeschickt und albern aufführten wie die berühmten Keystone Cops. Buster Keaton gelingt es, das rasante Tempo ungebrochen beizubehalten. Ein Gag jagt den anderen, nie zuvor war so viel Bewegung auf der Leinwand zu sehen. Keaton kann seine komödiantischen und akrobatischen Talente zur Gänze entfalten. Doch "Der General" ist mehr als eine bloße Slapstick-Komödie. Bei einer Kritikerumfrage über die besten Filme aller Zeiten belegte Keatons Meisterwerk 1972 den achten Platz. Zu Recht, denn abgesehen von seiner Komik ist "Der General" auch filmtechnisch brillant. Keaton dirigiert nicht nur Schauspieler, sondern auch Lokomotiven und ganze Armeen mit einer traumwandlerischen Leichtigkeit. Die gewagtesten Stunts wirken luftig und graziös wie Balletteinlagen. Und kein Aufwand ist zu gewaltig für einen guten Gag. Am Ende lässt Keaton einen ganzen Zug von einer brennenden Brücke stürzen, nur um danach das fassungslose Gesicht des trotteligen Nordstaaten-Generals, der die Brückenüberquerung angeordnet hat, in einer Großaufnahme zu zeigen. In dessen Blick spiegelt sich kein Schrecken, nur tumbe Eitelkeit: Hoppla, wieder ein falscher Befehl, wie peinlich. Wenn man "Der General" sieht, kann man kaum glauben, dass die Nordstaaten den Bürgerkrieg tatsächlich gewonnen haben.

 

Peter W. Engelmeier: 100 Jahre Kino. Die großen Filme; Augustus Verlag, Augsburg, 1994